Papst Johannes Paul II. erntet die Früchte von mehr als zwei Jahrzehnten anstrengender Reisediplomatie
"Kathpress"-Korrespondentenbericht von Ludwig Ring-Eifel
Vatikanstadt, 20.1.02 (KAP) Wenige Tage vor dem Beginn des Weltfriedenstreffens der Religionen laufen im Vatikan und in Assisi die Vorbereitungen auf Hochtouren. Ein Team von Spezialisten hat bereits die für kommenden Donnerstag geplante Zugfahrt der mehr als 200 Würdenträger vom Vatikan nach Assisi probeweise durchgeführt und die Standfestigkeit der vatikanischen Gleise getestet, die seit Jahren nicht mehr für einen Personenzug genutzt worden waren. In Assisi begann unterdessen der Aufbau einer Bühne auf dem Platz vor dem weltberühmten Franziskus-Konvent. Wegen der kühlen Witterung sollen die Repräsentanten der unterschiedlichen Konfessionen unter einem wetterfesten Dach sitzen, wenn sie sich in Worten und Gesten zum Frieden bekennen.
Im Konvent selbst bleibt ebenfalls noch einiges zu tun, denn das Mutterkloster der Franziskaner tritt als Gastgeber für das Großereignis auf. Anders als beim historischen ersten Weltfriedenstreffen der Religionen im Jahr 1986 werden die nichtchristlichen Delegationen diesmal alle im gleichen Gebäude beten - wenn auch in unterschiedlichen Räumen. Der Konvent mit seiner Vielzahl von Zimmern, Zellen und Sälen bietet dafür die idealen Voraussetzungen. Allerdings müssen, wie Vatikansprecher Joaquin Navarro-Valls erklärt, an einigen Wänden die Kruzifixe und andere christliche Symbole mit Rücksicht auf die Gäste vorübergehend verhängt oder entfernt werden. Die Repräsentanten der christlichen Konfessionen werden in der Unterkirche der Franziskus-Basilika einen gemeinsamen Wortgottesdienst feiern.
Sowohl der Vatikan als auch Protestanten und Juden legen großen Wert darauf, dass bei dem Treffen jeder Anschein eines religiösen Synkretismus von vornherein vermieden wird. Kardinal Walter Kasper betonte vorsorglich schon vor zwei Wochen in einem Leitartikel im "Osservatore Romano", Christen und Anhänger anderer Religionen würden "beten, aber nicht gemeinsam beten". Was sie teilten, sei der "Respekt vor Gott und dem Göttlichen, die Ehrfurcht vor dem Leben und den Wunsch nach Frieden mit Gott und unter den Menschen". Ausdrücklich schrieb der Ökumene-Spezialist des Papstes, beim Treffen in Assisi sei "jeglicher Synkretismus ausgeschlossen".
Unter den Protestanten tun sich vor allem die Adventisten schwer, weil sie jeden Anschein der Religionsvermischung mit Nichtchristen kategorisch vermeiden wollen. Sie entsenden daher keinen eigenen Spitzenvertreter, obwohl einer ihrer Leute in anderer Funktion am Treffen teilnimmt. Ein Zugeständnis ganz anderer Art verlangten die Zoroastrier. Die Anhänger dieser altpersischen Religion brauchen einen brandsicheren Raum mit offenem Fenster - weil in ihrer Liturgie das Feuer einen festen Platz hat.
Das getrennte, aber zeitgleiche Gebet der unterschiedlichen Gemeinschaften und ein anschließendes gemeinsames Essen im Kloster werden die Mitte des Tages von Assisi bilden. Zuvor wollen die Vertreter von elf Religionen sowie der Papst je eigene Stellungnahmen zum Frieden verlesen. Nach dem Essen sollen dann symbolische Gesten die gemeinsame Verpflichtung gegen Gewalt unterstreichen. Unter anderem wird ein "Friedenslicht" entzündet werden, ferner ist ein allgemeiner Friedensgruß über die konfessionellen und kulturellen Grenzen hinweg geplant. Besonders aufmerksam wird dabei verfolgt werden, ob auch jüdische und muslimische Geistliche einander die Hand zum Frieden reichen.
Schon vor dem eigentlichen Treffen wird Assisi 2002 im Vatikan als Erfolg gesehen. Die Tatsache, dass wesentlich mehr Vertreter der Ostkirchen, der Protestanten, der Juden und des Islam zugesagt haben als beim ersten Assisitreffen vor 15 Jahren ist auch eine persönliche Genugtuung für den 81-jährigen Papst. Nach mehr als zwei Jahrzehnten anstrengender Reisediplomatie kann er jetzt die Früchte vieler Kontakte und Freundschaften ernten, die er auf allen Erdteilen geknüpft hat. Gleichzeitig gibt ihm die Neuauflage von Assisi Gelegenheit zu beweisen, dass er die Wege der Ökumene und des interreligiösen Dialogs allen Unkenrufen zum Trotz fortsetzen will.
Kathpress
20. januar 2002