Papst erwartet mehr als 200 Religionsführer zum Treffen in Assisi am 24. Jänner
"Kathpress"-Korrespondentenbericht von Ludwig Ring-Eifel
Vatikanstadt, 4.1.02 (KAP) Knapp drei Wochen vor dem Friedenstreffen der Weltreligionen in Assisi laufen die Vorbereitungen auf das mit Spannung erwartete Ereignis auf Hochtouren. Mitte November, auf dem Höhepunkt des Afghanistan-Krieges, hatte Papst Johannes Paul II. überraschend diesen geistlichen Friedens-Gipfel angekündigt - als Antwort auf die Schreckensvision eines weltweiten "Glaubenskriegs". Seither hat er keine Gelegenheit ausgelassen, seine tiefe Sorge um die bedrohliche Weltlage zu formulieren und gleichzeitig seine Vision einer auf Gerechtigkeit und Versöhnung gegründeten Zukunft zu unterstreichen.
Seit Wochen schon inszeniert der dramaturgieerfahrene Papst eine Folge immer neuer Friedensappelle und Gesten. Es fing an mit einem dramatischen Hilferuf für die bedrohte Menschheit vor der Marienstatue an der Spanischen Treppe am 8. Dezember. Wenige Tage später empfing er die katholischen Bischöfe aus dem Heiligen Land, um mit ihnen die Lage in Nahost zu erörtern. Tags darauf folgte der weltweite Fasttag der Katholiken im Einklang mit dem Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan am 14. Dezember. Am Weihnachtsfest stand abermals das Gebet um den Frieden im Mittelpunkt der päpstlichen Ansprachen, ebenso beim Neujahrsgottesdienst, bei dem sogar für die Bekehrung der Terroristen gebetet wurde.
Mit dem Beginn des neuen Jahres wurden die Zwischentöne der Friedensappelle des Papstes optimistischer. Immer wieder betont er, dass die Menschheit trotz des Massakers von New York und des Krieges in Afghanistan eine Chance hat, den "Weg des Friedens weiterzugehen". Zugleich verstärkte und verdichtete der Papst seine Ablehnung des religiös motivierten Terrorismus. Der Satz, dass niemand, aus welchem Grund auch immer, im Namen Gottes töten darf, ist nun ein ständiges Motto seiner Ansprachen geworden.
Das Friedenstreffen von Assisi ist in der Gegen-Inszenierung des Papstes zu Terror, Bomben und Panzern als krönender Abschluss geplant. Der Papst weiß um die Macht der Bilder. Wenn sich in der Stadt des heiligen Franziskus vor laufenden Kameras Führer der Muslime, der Juden, der Christen und der ostasiatischen Religionen die Hand reichen, kann dies mehr aussagen als alle Erklärungen und Appelle. "In diesem historischen Moment braucht die Menschheit Gesten des Friedens und Worte der Hoffnung", erklärte der Papst denn auch bei der Ankündigung des Treffens am 18. November.
Selbst für viele Mitarbeiter des Papstes kam diese Initiative anfangs überraschend. Noch Ende September hatten Vatikan-Insider allenfalls eine gemeinsame Erklärung aller christlichen Kirchen zu Terror und Krieg erwartet. Am Ende der Bischofssynode im Oktober soll dann bei einem Mittagessen mit den Oberen der katholischen Ordensgemeinschaften die Idee zum Assisi-Treffen geboren worden sein. Drei Wochen später machte der Papst die Einladung an die Religionsführer aus aller Welt öffentlich. Mit dem Überraschungseffekt schuf er vollendete Tatsachen und umging innerkirchliche Diskussionen um das Für und Wider einer solchen Geste. Seither arbeiten drei Kurien-Abteilungen mit Hochdruck an der nicht ganz einfachen Realisierung seiner Vision.
Bei den Päpstlichen Räten für Gerechtigkeit und Frieden, für die Ökumene und für den interreligiösen Dialog laufen zeitweise die Telefone heiß, wenn es darum geht, möglichst viele und möglichst hochrangige Vertreter der Weltreligionen in Assisi begrüßen zu können. Diplomatische und ökumenische Empfindlichkeiten, aber auch ganz praktische Probleme gilt es dabei zu berücksichtigen. Hunderte Medienvertreter aus allen Erdteilen bemühen sich um Akkreditierung, um dabei zu sein, wenn mehr als 200 Würdenträger der unterschiedlichsten Religionsgemeinschaften nach Assisi kommen. Mit besonderer Aufmerksamkeit wird verfolgt, welche Führer des Islam - erwartet werden etwa zehn hochrangige muslimische Geistliche - und des Judentums sich auf den Weg in die Franziskus-Stadt machen. Dem Vernehmen nach soll vor allem die jüdische Abordnung diesmal stärker und internationaler sein als beim ersten Weltfriedenstreffen der Religionen, das 1986 in Assisi stattgefunden hatte. Beachtlich ist auch die Liste der erwarteten Teilnehmer aus dem orthodoxen und altorientalischen Lager. Die Tatsache, dass diesmal sogar das Oberhaupt der Weltorthodoxie, Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, sein Kommen zugesagt hat, wird im Vatikan freudig vermerkt.
Zur Inszenierung des Ereignisses gehört auch die vom Papst gewünschte gemeinsame Pilgerfahrt der Religionsführer im Zug von Rom nach Assisi. Was für die Sicherheitskräfte ein Albtraum und für die Medien ein Leckerbissen ist, bereitet der vatikanischen Planung großes Kopfzerbrechen. Was sollen die religiösen Würdenträger bei ihrer zweistündigen Pilgerfahrt tun? "Gemeinsam den Rosenkranz beten ist leider nicht möglich", so schildert ein Mitarbeiter des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen das Dilemma. Erwartet wird nun, dass während der Reise Texte aus den unterschiedlichen Religionen zum Thema Frieden vorgelesen werden, auf die dann jeder Teilnehmer nach seiner Tradition mit Gebet oder Schweigen reagieren kann.
Kathpress
4. januar 2002