Johannes Paul II. in Armenien: "Machen wir zusammen, was wir nicht getrennt machen müssen" - Schwierige Frage des Petrusamtes nicht ausklammern =
Jerewan, 26.9.01 (KAP) In einem beschwörenden Appell hat Papst Johannes Paul II. die katholische und die armenisch-apostolische Kirche zur Einheit aufgerufen. "Machen wir zusammen, was wir nicht getrennt machen müssen. Arbeiten wir zusammen, in vollem Respekt unserer unterschiedlichen Identitäten und Traditionen", sagte er am Mittwoch bei einer ökumenischen Feier in der neuen St. Gregor-Kathedrale von Jerewan.
Katholiken und Armenier hätten viele Gemeinsamkeiten, insbesondere die Sakramente der Taufe und Eucharistie. In der geistigen Leere, die Kommunismus und Materialismus hinterlassen haben, sei das gemeinsame und glaubhafte Zeugnis der Christen gefragt. Ausdrücklich wiederholte Johannes Paul II. seine Einladung, die Kirchen sollten gemeinsam über die Rolle des Papstamtes nachdenken und fragen, in welchen Formen es einen von allen Kirchen anerkannten "Dienst der Liebe" leisten könnte.
"Nie wieder Christen gegen Christen, nie wieder Kirche gegen Kirche!", so der eindringliche Aufruf des Papstes. Die Christen und Kirchen hätten eine große Verantwortung gegenüber der Welt. Nachdem den ökumenischen Fortschritten der vergangenen Jahres sei eine Vertiefung des Dialogs jetzt das Gebot der Stunde. In diesem Dialog dürfe keine noch so schwierige Frage, auch nicht das Petrusamt des Papstes ausgeklammert bleiben.
Sein dringender Wunsch sei es, einen Austausch zwischen den Kirchen wiederherzustellen, wie er im ersten Jahrtausend bestand, sagte Johannes Paul II.. Das gelte vor allem für die Kirchen in Ost und West. Sie müssten sich um Einheit im Glauben bei allem Respekt der legitimen Verschiedenheit bemühen und einander annehmen und unterstützen.
Der Papst erinnerte an die biblische Erzählung von der Arche Noah, die der Tradition nach am - von Jerewan aus gut sichtbaren - Berg Ararat landete. "Wie die Taube mit einem Ölzweig des Friedens und der Liebe zurückkam, so bete ich, dass mein Besuch wie eine Konsekration der zwischen uns bereits bestehenden reichen und fruchtbaren Zusammenarbeit ist."
Gemeinsamer Gang durch die Kathedrale
Auf den Arm des 52-jährigen Katholikos-Patriarchen Karekin II. gestützt ging Johannes Paul II. durch den langen Mittelgang der neuen Kathedrale. Im Eingangsbereich kniete er am Altar des heiligen Gregor nieder. Gregor der Erleuchter hatte vor 1.700 Jahren Wesentliches für die Annahme des Christentums als offizieller Religion in Armenien geleistet. Ein Reliquiar mit den leiblichen Überresten des armenischen Nationalheiligen, das zuvor in Süditalien aufbewahrt worden war, hatte der Papst an Kareakin vor einem Jahr bei dessen Rom-Besuch für diese neue Kathedrale übergeben.
Papst und Katholikos leiteten die von getragenen Chorgesängen begleitete ökumenische Liturgie gemeinsam. Zu den Gottesdienstteilnehmern gehörten auch Staatspräsident Robert Kotscharian und der französisch-armenische Chansonnier Charles Aznavour. Dieser hatte am Morgen bei einer Gedenkfeier am nationalen Mahnmal für die Opfer des Genozids ein "Ave Maria" gesungen.
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26. september 2001