Papst Johannes Paul II. bemüht sich in Jerusalem um Aussöhnung zwischen Katholiken und Juden - «Kathpress»-Korrespondentenbericht von Johannes Schidelko
Jerusalem, 23.3.00 (KAP) Es war die Krönung der bisherigen vatikanisch-israelischen Beziehungen und zugleich ein Meilenstein der christlich-jüdischen Aussöhnung: Papst Johannes Paul II. begab sich am Donnerstag nach Yad Vashem, dem Mahnmal für die Opfer des Holocaust, und begegnete dem politischen und religiösen Israel.
Es war ein langer weiter Weg zu diesem Ereignis, das Israels Ministerpräsident Ehud Barak in seinem Grußwort als «Höhepunkt der historischen Reise» des Papstes ins Heilige Land bezeichnete. Und historisch war auch die Rede Johannes Pauls II., eine ruhige, sehr persönlich gehaltene Ansprache. «Wir müssen uns erinnern», sagte Karol Wojtyla, der in der Nähe von Auschwitz im schlesisch-galizischen Grenzgebiet zusammen mit jüdischen Freunden aufgewachsen ist. Die Erinnerung müsse sicherstellen, dass sich das Böse, die Ermordung der sechs Millionen Opfer der KZ, der Krematorien und Gasöfen, nie wiederholt. Die Erinnerung dürfe nicht Hass und Rache fördern, sondern den Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit.
Der mit Spannung erwartete Schlüsselsatz, das Schuldbekenntnis, war umfassender als ähnliche Worte des Pontifex, eindringlicher auch als seine Vergebungsbitte vor zwei Wochen. Als Papst versichere er, die Kirche empfinde «tiefste Trauer» über allen Hass, alle Verfolgung und allen Antisemitismus, den Christen jemals verübt hätten. Zwar hatte Johannes Paul II. bei Besuchen im KZ Auschwitz oder in der römischen Synagoge einzelne Punkte, etwa das Schweigen der Kirche, schärfer herausgestrichen. Nie jedoch hat er so umfassend antijüdisches Verhalten von Christen beklagt.
Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) hatte die katholische Kirche ihr belastetes Verhältnis zum Judentum geklärt. Der Weg vom - theologisch unsinnigen - Vorwurf des «Gottesmordes» und der Kollektivschuld bis zum Dialog mit den «älteren Brüdern und Schwestern» war weit. Vor allem der polnische Papst, aber auch schon Johannes XXIII. hätten die Aussöhnung mit Nachdruck gefördert, hob Barak in seiner Rede hervor. Johannes Paul II. selbst war mit seinen Gesten und Worten dem kirchlichen «Apparat» oft voraus. Er hatte sich auch nach Differenzen, wie sie um die Klostergründung in Auschwitz, um die Seligsprechung der Philosophin, Konvertitin und Karmelitin Edith Stein oder die geplante Seligsprechung von Pius XII. entstanden waren, um Abbau von Missverständnissen bemüht. Allerdings hatte auch er Pius XII. wiederholt gegen Angriffe verteidigt. Dieses Thema kam in Yad Vashem nicht zur Sprache.
Zur religiösen Aussöhnung mit dem Judentum gehört eng auch die politische Normalisierung mit Israel. Nach 40-jähriger Verweigerung hatte der Vatikan vor sieben Jahren volle diplomatische Beziehungen zu Israel aufgenommen. Auf den Grundlagenvertrag folgten der Botschafteraustausch und ein Rechtsabkommen. Die Beziehungen zwischen dem Vatikan und Israel gelten heute als gut. Die gelöste Stimmung bei der Begegnung mit Präsident Ezer Weizman war dafür ein Beleg. Johannes Paul II. ermutigte auch bei diesem Treffen nachdrücklich zur Fortsetzung des Friedensprozesses. Der Papst weiß, dass Frieden sich stabilisierend auch auf die Lage der Christen in Nahost auswirkt. Zudem will der Vatikan sich als Partner für den weiteren Verlauf der Friedensgespräche empfehlen. Hierbei scheinen die Standpunkte weiterhin auseinander zu liegen. Barak bezeichnete in seiner Rede an den Papst noch einmal Jerusalem als ewige Hauptstadt Israels, in der die Rechte der Religion und der Menschen geachtet würden.
Auch Palästinenser-Präsident Yassir Arafat hatte am Tag zuvor Jerusalem als «ewige Hauptstadt» Palästinas bezeichnet. Die vatikanische Position mit der Forderung nach einem international garantierten Statut unterscheidet sich von beiden. Allerdings hat der Papst die Jerusalemfrage bei seiner Reise bislang nicht angesprochen. Sicher wird das Thema am Freitag bei seinem offiziellen Gesprächstermin mit Barak in Galiläa, am Ort der Bergpredigt, eine Rolle spielen.
Kathpress