Mit der Armenien-Visite Papst Johannes Pauls II. erreichen die 1.700-Jahr-Feiern der Christianisierung des Landes einen neuen Höhepunkt. Bisherige Höhepunkt waren die Weihe der neuen Gregor-Kathedrale in der Hauptstadt Jerewan und ein ökumenischer Gottesdienst im Kloster Khor Virab. Gregor der Erleuchter, der Nationalheilige Armeniens, war auf dem Gelände des späteren Klosters auf Anordnung von König Tiridates III. jahrelang in einem Brunnen gefangen gehalten worden. Auch Johannes Paul II. wird am Donnerstag, 27. September, vor seiner Rückkehr nach Rom das Kloster Khor Virab besuchen.
Die 1.700-Jahr-Feiern stellen für Armenien einen Höhepunkt seiner Geschichte dar. Die Präsenz der Oberhäupter nahezu aller christlichen Kirchen bedeutet eine Aufwertung des kleinen Landes, das wegen der Geschichte des 20. Jahrhunderts und dem nach wie vor ungelösten Konflikt mit dem Nachbarland Azerbaidschan um die Region Arzach (Berg-Karabach) nach wie vor traumatisiert ist. Der Primas der armenisch-apostolischen Kirche in Kanada, Erzbischof Hovnan Derderian, bezeichnete den ökumenischen Gottesdienst vom Sonntag als "Ereignis ohne Beispiel in der Geschichte der ökumenischen Bewegung": Noch nie seien so viele Kirchenoberhäupter aus der ganzen christlichen Welt bei einem Gottesdienst vereint gewesen. Die armenisch-apostolische Kirche war eine der ersten Kirchen, die sich in der ökumenischen Bewegung engagiert haben.
Durch die geschichtliche Entwicklung wurde die Kirche aber auch zu einem Eckpfeiler armenischen Bewusstseins. Identitätsstiftend erwies sich die Kirche vor allem deshalb, weil Armenien seit dem Untergang des "kleinarmenischen" Königreichs in Kilikien am Ende des 14. Jahrhunderts zur Gänze unter Fremdherrschaft stand. Die Kirche war die Hüterin der armenischen Sprache und Kultur.
Traditioneller Hauptsitz der Kirche ist der Etschmiadzin in der heutigen Rumpf-Republik Armenien, die 1991 aus der Sowjetrepublik Armenien hervorging. Seit dem Ende der kommunistischen Herrschaft hat die armenisch-apostolische Kirche die Stellung einer Quasi-Staatskirche zurückerhalten. Von den heute 2,5 Millionen in der Republik lebenden Armeniern und den rund 6 Millionen Auslands-Armeniern gehört die überwiegende Mehrheit der armenischa-apostolischen Kirche an; daneben gibt es auch armenisch-katholische und armenische protestantische Christen. Der im Etschmiadzin residierende Patriarch trägt den Titel Katholikos, derzeit ist dies Karekin II.
Finanziell ist die armenische Kirche fast vollständig vom Geld aus der Diaspora abhängig. Armenien ist infolge eines anhaltenden Bevölkerungs-Exodus und wegen seiner kriegerischen Konflikte mit Azerbaidschan wirtschaftlich geschwächt und anfällig für politische Krisen. Seit 1998 führt Präsident Robert Kotscharjan das Land, 1999 überlebte er einen blutigen Putschversuch.
K200105942
25. september 2001