Johannes Paul II. fasste schon bei seiner Ankunft in Kiew heiße Eisen an - "Kathpress"-Korrespondentenbericht von Ludwig Ring-Eifel=
Kiew, 23.6.01 (KAP) Ohne diplomatische Schnörkel hat der Papst gleich zu Beginn seiner Ukraine-Reise die schwierigen Themen angesprochen, die in der jüngsten Vergangenheit zu erbittertem Streit zwischen Katholiken und Orthodoxen in dem osteuropäischen Land geführt und seine Reise nach Kiew beinahe unmöglich gemacht hatten. In einer in fließendem Ukrainisch vorgetragenen Rede distanzierte sich der Papst ausdrücklich von allen Formen des "Proselytismus" (der Abwerbung von Gläubigen). Zugleich entschuldigte er sich bei den orthodoxen Glaubensbrüdern für Verfehlungen der katholischen Kirche und nahm dabei auch Bezug auf Ereignisse der jüngsten Geschichte, in der es in der Ukraine sogar zu gewalttätigen Konflikten um Gotteshäuser gekommen war. Der Papst bat um Vergebung und gewährte Vergebung - denn auch das Leid der "unierten" Katholiken des byzantinischen Ritus in stalinistischer Zeit ist unvergessen. Damals war - bei der Pseudosynode von Lemberg 1946 - unter massivem staatlichem Druck die "Wiedervereinigung" der "unierten" Kirche mit dem Moskauer Patriarchat beschlossen worden.
Bereits auf dem Weg vom Flughafen ins Kiewer Stadtzentrum besuchte der Papst eines jener Gotteshäuser, die erst im Zuge der "Wende" wieder für Gottesdienste der griechisch-katholischen Kirche geöffnet wurden. In der Nikolaus-Kirche betete er vor einer populären Marien-Ikone und dankte der Muttergottes für das "Geschenk meines Besuches bei der Kiewer Rus". Er erflehte die Fürbitte Mariens für alle Christen der "großen Nation" Ukraine.
Obwohl weder hier noch zur Begrüßung am Flughafen Würdenträger der unterschiedlichen Zweige der ukrainischen Orthodoxie anwesend waren, schlug der Papst geradezu hymnische Töne an, um den Geist der Ökumene zu beschwören. Er erinnerte an die strahlend hellen frühen Zeiten in den Beziehungen zwischen "der Kirche von Rom und der Kirche von Kiew". Die Irrtümer der Vergangenheit sollten sich nicht wiederholen, sie sollten die Christen nicht daran hindern, gemeinsam Zeugnis für ihren Glauben abzulegen. "Die Welt verändert sich rasch, und was gestern noch unmöglich war, ist heute schon zum Greifen nah", formulierte ein überaus frisch wirkender Papst mit Blick auf die ersehnte christliche Einheit.
Vatikansprecher Joaquin Navarro-Valls hatte während des Fluges von Rom nach Kiew die Mahnung an die Adresse der russisch-orthodoxen Hierarchie formuliert, diese laufe Gefahr, mit ihrer ablehnenden Haltung "den Zug der Geschichte zu verpassen". Eine klare Anspielung auf das interreligiöse Treffen am Sonntagabend, zu dem Repräsentanten aller nichtkatholischen Glaubensgemeinschaften in der Ukraine erwartet wurden, der Vertreter des Moskauer Patriarchats aber nicht erscheinen wollte. Immerhin hat aber die russisch-orthodoxe Kirche ihre Gläubigen unmittelbar vor dem Papstbesuch aufgefordert, nicht weiter gegen den Gast aus Rom zu protestieren, wie dies Tausende kurz zuvor noch getan hatten.
Neben der Ökumene dominierte die Sicherheit den ersten Tag des Papstbesuchs in Kies. Bei der Fahrt vom Flughafen in die Hauptstadt demonstrierten die Sicherheitskräfte, dass sie allen Protesten der Opposition zum Trotz Herren der Lage sind. Zehntausende Soldaten und Polizisten hielten Neugierige zunächst davon ab, nahe an den Straßenrand zu treten, als die Eskorte des Papstes vorbeifuhr. Handzettel warnten aus Sicherheitsgründen davor, ans Fenster zu treten. Dennoch trauten sich schließlich Tausende von Kiewern vorsichtig auf die Bürgersteige, um den Gast aus Rom im Papamobil vorbeifahren zu sehen. Ein Sprecher der griechisch-katholischen Kirche meinte dennoch, angesichts der strengen Sicherheitsvorkehrungen und der schwachen katholischen Präsenz in der Hauptstadt werde die Mitwirkung der Bevölkerung deutlich zurückhaltender sein als in der katholischen Hochburg Lemberg, wo Johannes Paul II. die zweite Hälfte seiner Reise verbringen will.
Bis dahin kann es dem Papst gelingen, vor allem mit Verbeugungen vor den Millionen von Opfern des Kommunismus und der deutschen Besatzung Punkte in der öffentlichen Meinung des Landes zu sammeln. Für Sonntagabend wurde kurzfristig eine Gedenkfeier beim Monument für die Opfer des Stalinismus bei einem früheren Gefängnis der sowjetischen Geheimpolizei NKWD in Bykiwnia in das Reiseprogramm aufgenommen, und für Montagabend wurde ein ähnlicher Akt für die Opfer der Nazis an der Gedenkstätte Babij Jar eingeplant. Dort waren bei einem Massaker im Jahr 1941 rund 30.000 Juden von den Deutschen getötet worden, später wurden an gleicher Stelle Zigeuner, sowjetische Kriegsgefangene und ukrainische Nationalisten ermordet.(ende)
Kathpress 24.06.2001 13:53
24. juni 2001