Vatikanischer Außenminister verteidigt Visite Johannes Pauls II. gegen Kritik der russisch-orthodoxen Kirche - Diaspora-Zweig einer der beiden schismatischen orthodoxen Gemeinschaften stellt sich "voll" hinter den Papstbesuch
Vatikanstadt-Kiew, 15.6.01 (KAP) Der Besuch von Papst Johannes Paul II. in der Ukraine ist nach Ansicht des vatikanischen "Außenministers", Erzbischof Jean-Louis Tauran, ein Beitrag zum Frieden und zur Versöhnung. Der Papst unternehme keine politische Reise und wolle auch nicht interne Probleme der orthodoxen Kirche lösen, sagte Tauran bei einer Konferenz in Rom. Er wolle mit seiner Reise vielmehr den Mut und die Beharrlichkeit der Katholiken in der Ukraine würdigen, die den Glauben in Loyalität zum Papst bewahrt hätten.
Gegen den für 23. bis 27. Juni vorgesehenen Besuch Johannes Pauls II. hatten am Donnerstag in Kiew erneut mehrere tausend orthodoxe Christen demonstriert, die der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats angehören. Die Gläubigen zogen vom Höhlenkloster vor das Parlament und die Präsidialverwaltung, meldete die Nachrichtenagentur "Interfax". Am Ende der Kundgebung forderten Redner die orthodoxen Christen im Land auf, durch zivilen Ungehorsam gegen den Besuch des Oberhauptes des römisch-katholischen Kirche zu protestieren.
Am Mittwoch hatte der Papst im Vatikan den ukrainisch-katholischen Großerzbischof von Lemberg (Lwiw), Kardinal Lubomyr Husar, empfangen. "Ich habe ihm mitgeteilt, dass sich unser Land auf seinen Besuch freut", sagte der Kardinal im Anschluss an die Unterredung. Die Visite des Papstes in Kiew und Lemberg werde einen "Meilenstein" in der Geschichte der Ukraine setzen. In Lemberg (Lwiw) allein würden mehr als eineinhalb Millionen Gläubige zu den Papstgottesdiensten erwartet.
Eine Meinungsumfrage Anfang Mai hatte ergeben, dass fast die Hälfte der Ukrainer die Papstvisite begrüßt. Nach Einschätzung von Beobachtern sehen viele Ukrainer in dem Besuch eine Chance, die internationale Aufmerksamkeit auf ihr Land zu lenken. Die Ukrainer fühlten sich seit der Auflösung der UdSSR und dem Erlangen der Unabhängigkeit 1991 von der übrigen Welt oft ignoriert oder vernachlässigt.
Die Visite des Papstes wird durch die Spaltung innerhalb der ukrainischen Orthodoxie erschwert. Neben der Moskau treuen Kirche, zu der sich rund 70 Prozent der orthodoxen Gläubigen bekennen, gibt es noch eine orthodoxe Kirche des "Kiewer Patriarchats" und die so genannten "Autokephalen". Die schismatischen Gruppierungen sind von der Weltorthodoxie nicht anerkannt.
Um die Beziehungen zum Moskauer Patriarchat nicht noch mehr zu belasten, sind im Programm der Papstvisite keine gesonderten Treffen Johannes Pauls II. mit den Repräsentanten der drei orthodoxen Flügel vorgesehen. Der Papst wird mit ihnen lediglich im Rahmen einer Begegnung mit dem Allukrainischen Rat der Kirchen und Religionsgemeinschaften in der Nationalphilharmonie in Kiew zusammentreffen. Dem Rat gehören auch die Muslime und Juden an.
Die "autokephale" ukrainische orthodoxe Kirche in der Diaspora hat den Papstbesuch ausdrücklich begrüßt. Man unterstütze die Reise des römischen Papstes "voll und ganz", hieß es in einer Erklärung der Bischöfe. Der Besuch werde allen Ukrainern ein "Zeichen der Einheit und des besseren gegenseitigen Verständnisses bringen".
Die ukrainisch-katholische Kirche habe in der Diaspora die "Autokephalen" immer mit Respekt und Entgegenkommen behandelt, "während andere orthodoxe Kirchen das nicht getan haben". Das Recht des Papstes, die Gläubigen seiner Kirche zu besuchen, stehe außer Zweifel. Dieses Recht könne und dürfe man keinem Bischof verweigern, es zähle zu den Grundlagen der christlichen Kirchen. Ausdrücklich würdigen die "autokephalen" Bischöfe der Diaspora das Bemühen von Kardinal Husar um Einheit unter den Christen in der Ukraine. Es sei ein Beitrag für eine "freie und einige Ukraine", die ein gemeinsames Ziel auch aller Kirchen des Landes und ihrer Zweige in der Diaspora sein müsse. Von den rund 51 Millionen Ukrainern sind rund zehn Prozent Katholiken des lateinischen und des byzantinischen Ritus.
Politische Debatten rund um die Papstreise
Die Papstvisite hat auch die Debatten um die politische Zukunft der Ukraine wieder angeheizt. Der neue Botschafter Russlands in Kiew, Wiktor Tschernomyrdin, hatte vor seinem Amtsantritt bei einem Gespräch mit dem Moskauer Patriarchen erläutert, dass Russland die Ukraine wieder näher an sich heranführen will. Spaltungen in der Orthodoxie würden diesem Ziel entgegenstehen.
Der ukrainische Präsident Leonid Kutschma schloss nun in einem Interview mit der slowakischen Zeitung "Pravda" entschieden aus, sein Land könnte sich dem Ende 1999 unterzeichneten russisch-weißrussischen Unionsvertrag anschließen. "Wir haben unsere Unabhängigkeit nicht erreicht, um sie wieder aufzugeben", so der Präsident. Vorrangiges Ziel sei die Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Dies bedeute aber nicht, dass man nicht - wie das übrige Europa - zu einer engen Zusammenarbeit mit Russland bereit sei.
Innenpolitische Gegner Kutschmas wollen dem Papst während dessen Besuch eine Erklärung überreichen, in der auf die von Kutschma zu verantwortenden zahlreichen Verletzungen der Menschenrechte im Land aufmerksam gemacht werden soll. Dazu zählten Morde an und Verfolgung von Journalisten und Oppositionellen, erklärte das Komitee "Ukraine ohne Kutschma" in Kiew. Man werde den Papst auf die "unchristlichen" Einstellungen der derzeitigen Staatsverantwortlichen aufmerksam machen.
Während der Papstvisite stehen den Journalisten zwei Pressezentren - je eines in Kiew und in Lemberg - zur Verfügung. Sie sind unter folgenden Nummern erreichbar: Tel. 0038-044/228.00.06, Fax 228.72.29 (Kiew); Tel. 0038-0322/35.32.10, Fax 35.32.09 (Lemberg). Die offizielle Web-Site zum Papstbesuch hat die Adresse "www.papalvisit.org.ua".
Kathpress
15. juni 2001