Auf explosivem Terrain ruft der Papst unermüdlich zur Versöhnung auf - «Kathpress»-Korrespondentenbericht aus Jerusalem von Johannes Schidelko
Jerusalem, 24.3.00 (KAP) Mit einem Mal wurde der rechte Platz neben Papst Johannes Paul II. leer. Lange vor Abschluss des interreligiösen Treffens verließ Scheich Taisir Tamimi das Jerusalemer Notre-Dame-Auditorium. Er verabschiedete sich vom Papst und entschuldigte sich, er müsse zum Gebet. Ein «Skandal», eine «Beleidigung des Papstes», lauteten die ersten Kommentare. Zuvor hatte Tamimi, stellvertretender Vorsitzender des obersten islamischen Gerichts von Palästina, eine kontroverse Rede gehalten, die weit über den Rahmen eines religiösen Treffens hinausging, bei dem die Spitzenvertreter der drei monotheistischen Religionen ihren religiösen Beitrag zum Frieden formulieren sollten.
Zunächst hatte Israels Oberrabbiner Israel Lau den Frieden als oberste und verbindende Aufgabe der Religionen bezeichnet - über alle unterschiedlichen Wege und Hindernisse hinweg. Der Papstbesuch sei eine Anerkennung des Staates Israel, sagte Lau und bezeichnete Jerusalem als ewige Hauptstadt Israels.
Darauf ging Tamimi in seiner folgenden Rede unmittelbar ein. In einem aggressiven Ton hieß der Scheich den Papst in Jerusalem, der «ewigen Hauptstadt Palästinas», auf heiligem Boden Palästinas, willkommen. Er bekräftigte das Recht der Palästinenser auf ein Heimatland und verurteilte die israelischen Siedlungen im Westjordanland.
Tamimi beklagte weiter, dass die Muslime keinen ungehinderten Zugang zu ihren heiligen Stätten, vor allem zur Al-Aksa-Moschee hätten; Muslime seien wie in Hebron auf dem Weg zum Gebet erschossen worden. Aus einigen Bereichen des Auditoriums bekam der Scheich Applaus, andere schauten weg oder waren betroffen. Der Papst, dem die auf arabisch gehaltene Rede von einem Geistlichen übersetzt wurde, verzog keine Miene.
Nach der ersten Unruhe unter den Zuhörern zog die israelische Polizei im hinteren Teil der Halle Beamte zusammen. Sicherheitskräfte in Zivil kontrollierten die Journalisten. Johannes Paul II. konnte mit seiner nachfolgenden Rede die aufgeheizte Stimmung wieder auffangen. Er rief zu Toleranz, gegenseitigem Respekt und Frieden auf, er mahnte zu Kooperation und Solidarität. Jerusalem müsse für alle eine «Stadt des Friedens» sein, versuchte er die Wogen zu glätten. Und er stellte klar, dass die Religionsführer nach christlicher Auffassung keine «technischen Formeln» zur Lösung sozialer, wirtschaftlicher und politischer Probleme anbieten könnten. Sie hätten nur die Aufgabe, ihre Gläubigen - auch die Christen in politischer Verantwortung - zur Wahrheit und Gerechtigkeit anzuhalten, so Johannes Paul II.
Von vatikanischer Seite war man offensichtlich irritiert über den Verlauf der Veranstaltung, wollte den Vorfall jedoch nicht dramatisieren. «Man muss anerkennen, dass so ein Treffen überhaupt zustande kam», betonte Kurienkardinal Edward Cassidy, Präsident des Päpstlichen Einheitsrates. Es sei nicht alles perfekt gelaufen, beim nächsten Mal werde man jedoch vieles besser machen. Vatikansprecher Joaquin Navarro-Valls sagte, der Papst habe sich bei all seinen Ansprachen während seiner Heilig-Land-Reise für einen «gerechten Frieden» eingesetzt. Niemand dürfe versuchen, aus den Texten mehr herauszulesen, als darin steht oder den Papst gar für sich vereinnahmen, so Navarro.
Trotz aller Irritationen muss dieses interreligiöse Treffen als erster wichtiger Schritt für die Begegnung der drei Religionen in Jerusalem gelten, schließlich hatten sich erstmals seit 1948 ein hoher Vertreter des Islam und ein hoher Rabbiner die Hand gereicht. Die Begegnung zeigte aber auch, wie sehr im aufgeheizten Klima des Nahen Ostens Politik und Religion miteinander verwoben sind. Bis zur Verwirklichung der Vision des Papstes, dass Religion eine Frieden stiftende Funktion haben muss, scheint es jedoch noch ein weiter Weg zu sein.
Kathpress